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Peter Herbstreuth

Farbe – Raum – Licht – Kontext

FARBE. > Sie begann mit Rot. Permanent Rot. Feuer. Farbe in Relation zum Raum. Monochrome Farbtafeln im Weiß der Wände. Selbst wenn der Besucher den Monochromen den Rücken kehrte, sah er deren Leuchten noch immer. Die Räume waren in den Augen der Besucher rot und blieben als Nachbild wie fahle Feuer haften. RAUM. Es geht nicht um je einzelne mobile Bildträger, sondern um Raumbestimmung durch rhythmisch angeordnete Farbfelder, deren Relationen in einem Bild resultieren. Deshalb gehört die räumliche Dimension zu Gunda Försters installativer Malerei. In einer Gruppenausstellung rahmte sie die Fenster mit tiefroten > Samtvorhängen. Sie modulierten die Farbtemperatur im Raum und brachten sich durch ihre Nähe zum Alltäglichen im selben Maße zum Verschwinden wie sie ihre Umgebung bestimmten. Der Gegenstand (monochrome Leinwand, Vorhang) wird zu einem Instrument, die Farbe Klang und Nachbild. In diesem Sinne verschwindet die Kunst als Objekt und wird – wie Licht, dessen Quelle übersehen und dessen Wirkung den Raum in seiner Sichtbarkeit bestimmt – durch den räumlichen Kontext als Wirkung forciert. LICHT. > Zwei rote Monochrome öffnen sich in einer rechtwinkligen Ecke. Darauf wird ein rotes Rechteck projiziert. Es erscheint als Sechseck. Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel. Farbe und Licht inein-
andergeblendet. Im Rhythmus von sieben Tagen vergrößert sich die Lichtfarbe dreimal und überstrahlt im finalen Zustand die materielle Farbe. Zeit ist integrierender Bestandteil eines hybriden Bildes aus Projektion und Faktizität. KONTEXT. > Mit ortsbezogenen Reihungen erschließt Gunda Förster eine Differenz zu den Sackgassen der Monochromie, verwendet Farbfelder wie Readymades und Readymades in Relation zu gemalten Bildern und definiert durch Farbquantitäten den Raum. Sie erzeugen eine Situation, die den Besucher veranlaßt, eine Einstellung einzunehmen. Ihre Präsenz richtet sich weniger an den Sehsinn als an den Orientierungssinn. Sie sind ohne Handschrift, anonym und könnten industriell gefertigt sein. Manche Maler wollen, daß sich der Betrachter in den Bildern vergißt und verliert. Gunda Försters Farbfelder fordern Gegenwärtigkeit und Abstand. Ihre Raum-
architektur folgt dem Prinzip 1+1+1+ ... Reihung eines einzigen Elements in einem euklidischen Raum. Es ist möglich, diese Situation im Sinne metonymischer Verschiebung als Allegorie des Angeschaut-Werdens zu deuten, als deren omnipräsente Zeugen die Farbfelder figurierten; dieses Angeschaut-Werden wäre mal aggressiv-
distanzfordernd, mal dominant-flüchtig, mal sinnlich-suggestiv, mal indifferent, aber stets als Interaktion der Farbe im Raum bestimmbar. Das bildnerische Denken hat sich zu einem orts- und raumbezogenen erweitert.

Katalogtext zur Ausstellung
Bild – Malerei
Galerie Wohnmaschine, Berlin, 1994
> Rot-Licht

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