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Nicolaus Schafhausen

Private Sicht der Dinge

Gunda Försters künstlerische Auseinandersetzung hat eine seltene ästhetische Qualität, die sich ihrer Subjektivität zwar bewußt ist, durch rationales Herstellungsverfahren aber ästhetischen Egoismen verweigert. Alleinig durch den ästhetischen Zugang erschließt sich die inhaltliche Dimension ihrer Arbeit, die mit öffentlichem Bild-Vokabular den Rezipienten zum Protagonisten ihrer Sichtweise einsetzt.
Was mich an ihren Werken interessiert, ist der stetige Versuch, nicht an Utopien oder Pseudojahrmarkteffekten zu arbeiten, sondern die Tatsache, den Widerspruch einer stattfindenden abstrakten künstlerischen Produktion im Verhältnis zu einem pragmatischen Realismus aufzudecken. Das sich erschließende Produkt entspringt ihrer privaten Sicht der Dinge, die nichts mit Verschleierung oder imaginären Zuständen zu tun haben.

Die Korrespondenzen-Ausstellungen der Berlinischen Galerie im Martin-Gropius-Bau standen mit Beginn ihrer 1989 konzipierten Reihe in Referenz zur politischen Isolation Westberlins. Aus heutiger Sicht reduziert sich die Ausstellungskonzeption auf die Vernetzung zweier geographischer Räume, die mit ihrer kulturell zu vernetzenden Identität den vergleichenden Diskurs intendieren.
Aus diesem Zusammenhang läßt sich ein immer häufiger auftretendes Problem erkennen, das von den eingeladenen KünstlerInnen ein autonomes Werk abverlangt, welches sich in einem urbanen Kontext formuliert, ohne auf den direkten Ausstellungskontext einzugehen. Nur straft sich diese Arbeitsweise nicht selbst durch Lügen, die die Vorstellung vom autonomen, selbstrefentiellen Objekt auf sein bloßes Objekt-Sein Reduziertes längst hinter sich gelassen zu haben scheint?

Förster löst die Aufgabe, indem sie, im Gegensatz zu früheren Arbeiten, nicht auf den direkten Kontext der Situation oder die urbane Dynamik des Ortes reagiert; sie sich nicht in Abhängigkeit von vorhandenen Betriebsstrukturen und den allgegenwärtigen Hegemonieansprüchen von Gruppenausstellungen einfügt. Sie benutzt die Ausstellungsorte, in diesem Fall Museen, kalkulierend für ihre eigenen Bedürfnisse, indem sie diese im gegebenen Kontext in Frage stellt und zusätzlich isoliert.

Gunda Förster versteht ihre Arbeit als einen offenen Prozeß. Einen Prozeß, der sich erst im Resonanzverhalten zwischen Künstler, Werk und Rezipienten erklärt. Für viele modernistische Produktionen der Neunziger Jahre ist dieser Anspruch nichts Neues und hält selten, was er verspricht.
> Förster konstruiert einen nahezu quadratischen Ausstellungsraum als voraussetzungslose architektonische Gegebenheit, bespielt den Raum ohne Fenster und nur durch zwei Türöffnungen gebrochen, als das, was er herzugeben hat: als Rahmen.
Vier Diaprojektoren werden unmittelbar unter der Decke montiert, als Objekt innerhalb des Raumes zwangsläufig als technisches Hilfsmittel akzeptiert. Ausgehend von den Projektoren werden auf die Wand flächendeckend, leicht überlappend, Bilder projiziert, die aus einem fahrenden Auto aufgenommen wurden. Die schnelle Schaltung des Bildwechsels garantiert die einzelnen Aufnahmen als sich wiederholende Sequenz, die das einzelne Bild in den Hintergrund setzt und die fließende Stimmung hervorhebt. Unmöglich für den Betrachter die Rolle des Voyeurs zu übernehmen. Wird er doch durch sein Agieren im Raum in folgender Sequenz zum situativen Voyeur.
Zum Schluß ist es die öffentliche und private Ebene ihrer Arbeit, die mich interessiert, die ihre Arbeitsweise in eine weitere, affektive Ebene führt: den Betrachter im interagierenden System zwischen dem Drinnen und Draußen stehen läßt.

Katalogtext zur Ausstellung
Korrespondenzen | Correspondences
Berlinische Galerie, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 1997
Scottish National Gallery of Modern Art, Edinburgh, 1997
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